Die Jugend von heute

Diesmal möchte ich mich mit einem Thema bzw. einer Zielgruppe beschäftigen, für die ich ganz besonders brenne. Zwar bin ich altersmäßig mittlerweile auch nicht mehr ganz nah „an ihr dran“, habe aber aus meiner Sicht immer noch einen guten Draht dazu: Es geht natürlich um die Jugend!

Warum liegt mir dieser Personenkreis so sehr am Herzen? Erstens habe ich während meiner bisherigen beruflichen Laufbahn super Erfahrungen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen gemacht: Sie bringen durch ihre kreativen Ideen frischen Wind rein und wenn man sie machen lässt und ihnen Vertrauen schenkt, kommt in den meisten Fällen ein prima Ergebnis raus. Zweitens finde ich es toll, junge Menschen ein Stück weit auf ihrem Weg zu begleiten, dadurch ihre Entwicklung mitzuerleben und vielleicht sogar etwas dazu beitragen zu können.

Drittens habe ich den Eindruck, dass die Zielgruppe Jugend in der Politik oft keine Lobby hat und auch in Parlamenten fast nicht vertreten ist. Beispielsweise sitzen im Bundestag von 709 Abgeordneten nur 13 Personen unter 30 Jahre, also 1,9 Prozent (Quelle), obwohl diese Gruppe in der Gesamtbevölkerung ca. 30 Prozent ausmacht (Quelle). Das finde ich nicht gerecht, weil dadurch die Interessen zwangsläufig nicht vertreten werden (können).

Wie wird stattdessen mit den Interessen aktuell umgegangen? Aus meiner Sicht ist das sehr unbefriedigend, was an mehreren Gründen liegt. Einer ist denke ich das Bild, das viele Erwachsene von „der Jugend“ haben: faul, respektlos, keine Ziele im Leben, wenig engagiert. Das ist noch kein Grund zur Panik, dieses Bild der älteren Generation von der jüngeren sah nämlich schon immer so aus, angeblich auch schon zu Sokrates‘ Zeiten. Trotzdem führt dieses Bild natürlich dazu, dass man „die Jugend“ oft nicht allzu ernst nimmt.

„Das Verhalten geht ja gar nicht!“

An alle Erwachsenen, die sich über manche Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen beschweren: Dieses Verhalten ist nicht angeboren, sondern wird von älteren Leuten anerzogen oder vorgelebt. Das Ganze nennt sich Vorbildfunktion.

Beispiel Smartphone: Wenn Eltern ständig am Smartphone sind und dabei ihre Kinder vernachlässigen, werden diese Kinder so ein Verhalten als normal empfinden. Beispiel Umweltbewusstsein: Wer seine Sprößlinge jeden Tag mit dem SUV bis vor die Schultür fährt und dabei Stau und Chaos verursacht, muss sich nicht wundern, wenn die nächste Generation ebenfalls nicht auf ein Auto verzichten möchte. Übrigens gibt es mancherorts sogar schon Proteste von Schüler*innen gegen dieses teilweise rücksichtslose Eltern-Verhalten.

Fun Fact: Wenn man auf „die Jugend von heute“ schimpft, schimpft man also eigentlich über sich selber.

Jugend engagiert sich

Apropos Proteste: Oft wird ja bemängelt, dass sich junge Leute nicht mehr engagieren. Wenn man sich die „Fridays for Future“-Bewegung ansieht, ist diese Aussage falsch. Im September 2019 haben es Jugendliche geschafft, allein in Deutschland 1,4 Millionen Menschen für Klimaschutz zu mobilisieren. Aber das passt ja auch wieder nicht, schließlich kennen sich Jugendliche nicht aus, das Thema müsse man Profis überlassen.

Bei der „Fridays for Future“-Demo am 20.09.2019 in Passau, gemeinsam mit Ben de Smidt, Lorenz Pauli und Daniel Heybrock (v.l.)

Aber was möchten diese jungen Menschen denn eigentlich in diesem Fall? Dass man endlich auf die Profis hört! 26.800 (Sechsundzwanzigtausendachthundert!) Wissenschaftler*innen sagen, dass die Anliegen von „Fridays for Future“ berechtigt und gut begründet sind: „Die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz reichen bei weitem nicht aus.“ (Stellungnahme der Scientists for Future) Abgesehen davon hat übrigens der „Club of Rome“ bereits 1972 vor den Grenzen des Wachstums gewarnt. Aber klar: Es ist bequemer, auf engagierte Jugendliche (allen voran eine 16-Jährige) zu schimpfen und sie teilweise sogar mit Falschaussagen zu diffamieren, als sich wirklich mit der Sache zu beschäftigen und endlich richtig tätig zu werden.

Belange und Interessen ernst nehmen, das sieht in meinen Augen echt anders aus.

Politisches Interesse an der Jugend

Hat man dann doch Interesse an der Jugend und möchte sie einbinden, wird häufig darüber gerätselt, welche Themen für Jugendliche relevant und welche Belange, beispielsweise in der Kommunalpolitik, für sie von Bedeutung sein könnten. Die Antwort ist eigentlich recht einfach: Alle Themen sind für Jugendliche interessant. Sämtliche Entscheidungen, die von einem Stadtrat oder anderen politischen Gremium getroffen werden, haben Auswirkungen, mit denen die nächste Generation am längsten leben muss. Warum werden Jugendliche also nicht viel öfter einbezogen?

Der Satz „Der Jugend gehört die Zukunft“ ist aber leider meist nur eine hohle Phrase, bei der wenig dahinter steckt. Abgesehen davon ist diese Aussage nur eine Tatsachenbeschreibung. Wem soll denn sonst die Zukunft gehören?

Ein Einbeziehen Jugendlicher könnte übrigens auch mit Hilfe einer Absenkung des Wahlalters passieren, die der Bayerische Jugendring (BJR) schon seit vielen Jahren fordert. Jugendliche sind dafür durchaus bereit, wie beispielsweise die U18-Wahl des Bayerischen Landtags 2018 anhand der hohen Teilnehmerzahl zeigt. Wer jetzt sofort auf Gedanken kommt wie „Jugendliche sind noch nicht reif genug“, „die haben noch kein Interesse an Politik“ oder „Jugendliche können noch keine Verantwortung übernehmen“, sei auf die Info-Seite des BJR verwiesen.

Ich bin der Meinung: Die Zeit ist reif für eine Absenkung des Wahlalters. Jugendliche können sehr wohl eine politische Entscheidung bei einer Wahl treffen. Das wäre eine echte Beteiligung und ein wahres Interesse an den Belangen Jugendlicher. Natürlich muss im Gegenzug die politische Bildung an Schulen und im außerschulischen Bereich ausgebaut und früher angesetzt werden.

Vielleicht sollten wir es aber auch so machen, wie es Nico Semsrott (Die PARTEI) vorschlägt und für Gerechtigkeit sorgen, indem auch ein „Höchstwahlalter“ eingeführt wird. (nicht ganz ernst gemeint, Zwinker-Smiley)

Das Engagement Erwachsener für die Jugend

Erwachsene – z.B. Verantwortliche in Vereinen oder Politiker*innen – stellen sich häufig die Frage: Was können wir für die Jugendlichen anbieten? Sie sind dann oft enttäuscht, wenn ihre Angebote nicht angenommen werden. Frust macht sich breit: „Die Jugend von heute zeigt gar kein Interesse mehr, die hängen eh nur noch vorm Smartphone rum, wir wissen gar nicht mehr, was wir noch machen sollen, dann machen wir halt künftig gar nichts mehr.“

Warum ist das so? Meiner Meinung nach müsste schon die Ausgangsfrage anders lauten: Was möchten denn die Jugendlichen? Diese Frage und ganz besonders die Antworten darauf muss man natürlich dann auch ernst nehmen. Häufig folgt als Reflex auf Vorschläge sofort eine Ablehnung, ohne dass man sich wirklich damit auseinander setzt.

Man muss den jungen Menschen auch zuhören WOLLEN.

Ein Beispiel: Im Rahmen der Jugendhilfeplanung wurden in den vergangenen Jahren nahezu alle jungen Menschen unseres Landkreises befragt (in dem Zusammenhang möchte ich die sehr gute Arbeit der Kommunalen Jugendarbeit bzw. von Martina Kirchpfening betonen). In Jugendforen oder mittels Fragebögen sollten sie u.a. äußern, was sie gut oder nicht so gut finden und welche Vorschläge, Wünsche,… sie haben.

Unter anderem wurde mehrfach geäußert, man wolle mehr offene Angebote, etwa von Vereinen, ohne dass man dafür aber gleich Mitglied werden muss – beispielsweise unverbindliches Volleyballspielen. Was sagen Vereinsverantwortliche dazu? Folgende Aussagen habe ich persönlich schon vernommen: „Das geht nicht.“ „So eine Mitgliedschaft kostet doch eh nicht viel.“ „Wir verstehen nicht, warum wir immer weniger Mitglieder haben.“ „Können die Jugendlichen denn nicht wie früher sein?“ Zu dieser Frage sage ich ganz klar: Das wird nicht passieren! Jugend und Gesellschaft im Allgemeinen verändern sich nun mal.

Ich möchte an der Stelle ausdrücklich betonen, dass in etlichen Vereinen tolle Jugendarbeit gemacht wird. Das sind aber i.d.R. die Vereine, bei denen die Belange der Jugendlichen wirklich ernst genommen werden. Es gibt aber auch Vereine, die sich mehr junge Leute im Vorstand wünschen, neue Ideen aber dann sofort im Keim ersticken: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Motivation erreicht man damit nicht!

Versucht man also, Kinder und Jugendliche zwanghaft in vorhandene Strukturen zu pressen oder sollte man nicht lieber die eigenen Strukturen hinterfragen und sie an die aktuellen Entwicklungen und Bedürfnisse anpassen?

Die Jugend in Freyung

Freyung ist in Sachen Jugendarbeit aus meiner Sicht schon gut aufgestellt. Die Stadt ist immerhin die einzige Kommune in Freyung-Grafenau mit einer hauptamtlichen Jugendpflegerin. Dies ist auch der Grund, warum man sich im Gegensatz zu anderen Landkreis-Gemeinden um den Jugendtreff im Mehrgenerationenhaus keine Sorgen machen braucht.

Ich bin sehr froh, dass der Landkreis dieses Thema jetzt anpacken und durch das Projekt „MAKE“ (Mehr als kein Einfluss) auch in anderen Gemeinden hauptamtliches Personal installieren möchte. Für manche Dinge benötigt man eben tatsächlich Profis. Jugendarbeit ist Beziehungsarbeit und eine Beziehung kann nur aufgebaut werden, wenn jemand kontinuierlich für junge Menschen da ist.

Beziehungsarbeit ist auch in Vereinen entscheidend, solche gibt’s in Freyung natürlich zahlreiche. Kinder und Jugendliche sind dort sehr gut aufgehoben. Wie oben bereits beschrieben, gibt es dennoch Jugendliche, für die ein Verein aufgrund der damit oft einhergehenden Verbindlichkeit nicht in Frage kommt. Diese Jugendlichen fallen dann oft durchs Raster. Sie wünschen sich und benötigen Treffpunkte, an denen sie sich ganz ungezwungen verabreden können.

So ein Treffpunkt wird noch in diesem Jahr entstehen, und zwar im Schulzentrum. Der Bauausschuss hat für den lange gewünschten Skatepark grünes Licht gegeben und im Rahmen der Oberfeld-Sanierung sogar noch Soccerplatz und WLAN-Hotspot draufgelegt.

Den Skatepark haben sich die Jugendlichen echt mehr als verdient, nachdem sie ein paar Jahre mit großem Einsatz dafür gekämpft haben. Die „Skater-Boys“ mussten dabei viele Hürden meistern, u.a. die Suche eines geeigneten Ortes, die Ausrichtung eines Skate-Contests oder die Finanzierung. Keine Spur also vom fehlenden Engagement „der Jugend“ auch in diesem Fall.

Sie haben sich für den Skatepark eingesetzt (v.l.): Stadtrat Lothar Dumm, Kathrin Wilhelm, Martin Wagner, Uli Hansel als Berater für den Werbeclip, Jonathan Wilhelm, Philipp Pauli, Paul Hernitschek, Ben de Smidt und David Pauli.

Auch wenn ich bei dem Projekt ein wenig beteiligt war, möchte ich dafür keine Lorbeeren einheimsen. Die gehören definitiv Lothar Dumm. In mittlerweile unzähligen Treffen stand und steht er den Jungs mit Rat und Tat zur Seite, knüpft die Kontakte zur Stadt oder zu Sponsoren und treibt damit das ganze Vorhaben voran. An dem Projekt zeigt sich sehr gut, dass Jugendliche zwar selber prima Ideen haben, trotzdem aber eine positive Begleitung nötig ist.

Übrigens: Das OK für den Park ist zwar da, die Jungs freuen sich aber auch weiterhin über Spenden (per Gofundme oder per Überweisung auf das Konto der Stadt mit Vermerk „Skatepark“). Dann kann der Park auch mit richtig guten und abwechslungsreichen Hindernissen ausgestattet werden. In einem kleinen Werbevideo stellen sie ihr Anliegen klar.

Fazit

In Freyung ist also bereits einiges geboten. Was kann man da als Stadtrat künftig überhaupt noch tun? Tja, ich hätte da so eine Idee…

Fragen wir doch die Jugend!

Ich werde als Stadtrat jedenfalls eine und hoffentlich nicht die einzige Stimme für die Jugend sein. Dazu werde ich jungen Menschen weiterhin aufmerksam zuhören, sie ernst nehmen, ehrlich und transparent zu ihnen sein, mich von ihren Ideen und Vorhaben inspirieren lassen und gemeinsam mit ihnen neue Projekte angehen. Ich bin sehr gespannt darauf, was kommt.

Es gibt bereits Vorschläge, was Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene brauchen, was in Freyung noch fehlt oder welche Themen dringend angesprochen werden müssen? Dann schreibt’s doch in die Kommentare!

Soga, der Bauernbua

Neulich habe ich ja schon erzählt, woher der Name Soga kommt und dass mein Elternhaus ein alter Bauernhof direkt neben der WOS 1 zwischen Freyung und Waldkirchen ist. Dort durfte ich aufwachsen und mit der Zeit natürlich auch ordentlich mithelfen. Wie das so war und was meine Gedanken zur Landwirtschaft sind, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Die Kindheit auf dem Bauernhof

Wie bei fast allen Kindern, v.a. bei Jungs, übte die Landwirtschaft auch auf mich eine große Faszination aus: Man ist viel draußen, es gibt viel zu sehen, neben Kühen gibt’s auch immer sehr süße Katzen und für mich das Wichtigste: Maschinen! Vor allem die Bulldogs (manch verwirrte Leute sagen „Traktoren“) hatten es mir angetan. Als ich noch nicht so richtig sprechen konnte, sagte ich „Gagga“ dazu. Wir wissen bis heute nicht, wieso.

Als kleines Kind durfte ich natürlich immer Beifahrer bei meinem Papa sein. Diese Zeiten habe ich sehr genossen, arbeiten musste ich ja noch nicht. Heute fahre ich die Gefährte selber, fühle mich aber beim Einsteigen jedesmal wieder zurückversetzt, weil die Bulldogs innen immer noch genauso riechen wie früher. Das weckt Erinnerungen…

Im Stall war ich als Kind natürlich auch regelmäßig dabei. Meistens bin ich mit meinem eigenen Bulldog (eine Tret-Version) rumgefahren und hab dem Papa beim Melken zugesehen. Ganz toll waren aber auch andere Beschäftigungen wie im Heu rumspringen oder kleine Kätzchen streicheln. Mit meinen Cousinen, die regelmäßig zu Besuch waren, hat das Ganze noch mehr Spaß gemacht.

Die Jugend

Je älter ich wurde, desto mehr kleinere Aufgaben habe ich auch übernommen: Ausmisten, Kühe und Kälber füttern oder den Gitterrost mit dem Wasserbesen sauber machen. Letzteres hat mir nicht so viel Spaß gemacht. Aufm Bulldog bin ich immer noch mitgefahren, allerdings durfte ich nicht mehr nur Beifahrer sein: Am Feld angelangt musste ich meist absteigen und mit dem Rechen das liegengebliebene Heu oder Gras aufsammeln. Damals war nämlich noch mehr Handarbeit angesagt…

Früher war noch mehr Handarbeit (Bild aus der PNP von der „Soga-Oma“)

Die spannendste Tätigkeit damals war das Kranfahren im Stadl. Insgesamt hat mir diese Zeit aber weniger gefallen: Die Arbeiten haben mir keinen Spaß gemacht, v.a. weil ich hauptsächlich Helfertätigkeiten übernehmen musste. Und getreu dem Motto „Heing muaß ma, wenn’s schä is!“ (für Verwirrte: „Ernten muss man bei schönem Wetter!“) musste ich halt auch immer ran, wenn andere ihren Spaß im Freibad hatten.

Mit Urlaub war’s ebenfalls schwierig: Meine Eltern sind zwei bis maximal 3x im Jahr für ein Wochenende wohin gefahren. Mehr war nicht drin, weil die Kühe jeden Tag Futter brauchten und gemolken werden mussten. Ich habe zuhause dann mit der „Soga-Oma“ immer die Stellung gehalten und den Betriebshelfer im Stall unterstützt.

Recht schnell war für mich aus diesen Gründen klar, dass ich die Landwirtschaft nicht übernehmen würde, was für meinen Papa aber auch immer in Ordnung war. Ich finde: Zum Landwirt muss man geboren sein. Für mich ist es auch kein Beruf, sondern eine wahre Berufung, der man mit viel Leidenschaft nachgehen muss. Die Arbeitszeiten, die ständige Verfügbarkeit und Rufbereitschaft muss man echt mögen. Oft sind wir auch zu spät zu Veranstaltungen gekommen, weil kurz vor der Abfahrt sich eine Kuh im Stall losgerissen oder ein Kalb gekriegt hat.

Krank werden darf man eigentlich auch nicht: Mein Papa hat sich schon oft mit einer üblen Erkältung, Grippe oder unter Schmerzen aufgrund einer Verletzung in den Stall geschleppt. Natürlich gäb’s in solchen Fällen die Möglichkeit eines Betriebshelfers, so einen zu bekommen ist aber meist schwierig, wenn’s drauf ankommt.

Das Erwachsenwerden

Mit dem Älterwerden bekam ich natürlich auch mehr Verantwortung: Auf den Betriebshelfer wurde irgendwann verzichtet, weil ich im Stall alle Tätigkeiten inklusive Melken gut beherrschte. Zu Erntezeiten ersetzte ich den Rechen durch den Bulldog und heute kann ich mit nahezu allen Gerätschaften und Maschinen am Hof umgehen. Ich muss allerdings zugeben, dass ich für all das länger brauchte als andere „Bauernbuam“. Meinen Bulldog-Führerschein habe ich beispielsweise erst zeitgleich mit dem Autoführerschein gemacht. Ich hatte da einfach zu wenig Interesse und Leidenschaft.

Und heute?

Heute ist die Arbeit auf dem Hof für mich tatsächlich ein willkommener Ausgleich zu meinem Alltag und Beruf, bei dem ich fast keine Gelegenheit habe, mit den Händen etwas zu schaffen. Insofern freue ich mich im Sommer auch drauf, wenn ich ein paar Stunden auf dem Bulldog verbringen und meinem Papa beim Silieren helfen kann.

Der heutige Fuhrpark: Damit zu fahren macht mir schon Spaß…

Wenn Papa und Bärbel mal ein paar Tage wegfahren oder einen längeren Tagesausflug machen, springe ich auch gerne im Stall ein – auch wenn das für mich nach wie vor eine große Verantwortung ist, weil es schließlich um Lebewesen geht. Und es ist bislang nicht nur einmal vorgekommen, dass ausgerechnet dann ein Kalb zur Welt gekommen ist. In so einer Situation legt man dann seinen Ekel ziemlich schnell ab. Man will schließlich das Kalb heil zur Welt bringen, was aber in der Regel mit einer gewissen Anstrengung verbunden ist. Gott sei Dank ist bislang immer alles gut gegangen.

Fazit

Auch wenn ich mich früher oft geärgert habe, weil ich so viel mithelfen musste, hat mich meine Kindheit und Jugend auf dem Hof sehr geprägt und mir keineswegs geschadet: Ich habe gelernt, anzupacken, mich schmutzig zu machen und mich auch mal durchzubeißen – z.B. dann, wenn wir bei der größten Hitze beim Steineklauben auf dem Acker standen.

Ich habe außerdem großen Respekt vor meinem Papa und bewundere ihn sehr, weil er seine Berufung als Vollerwerbs-Landwirt schon sein Leben lang ausübt. Ich glaube, er freut sich aber mittlerweile auch, wenn er es in ein paar Jahren geschafft hat und in den wohlverdienten Ruhestand gehen kann.

Dann wird ein weiterer Bauernhof nicht mehr existieren. Vielleicht gibt’s irgendwann ein paar Schafe oder Ziegen, die unsere Böschungen ums Haus abgrasen. Was mit den Gebäuden passiert, ist die Frage. Das Wohnhaus bauen wir aktuell gerade um, damit meine Frau und ich hoffentlich bald einziehen können.

Mein Blick auf die Landwirtschaft

So ein Bauernbua kriegt natürlich auch die Entwicklungen in der Landwirtschaft mit und wie es um die Bauern bestellt ist. Bei vielen dieser Entwicklungen hat mein Papa nicht mitgemacht, weil ja bereits früh klar war, dass es keinen Nachfolger gibt. Dann wären nämlich schon vor längerer Zeit größere Investitionen nötig gewesen: Ein Stall mit Anbindehaltung ist einfach nicht mehr zeitgemäß und mit lediglich etwas über 20 Milchkühen ist es außerdem schwierig, eine Familie zu ernähren.

Das liegt natürlich auch daran, dass sich die Preise für die Lebensmittelerzeugung aus meiner Beobachtung heraus seit meiner Kindheit nicht geändert haben. Die meisten Bauern versuchen dann (irgendwie logischerweise), mehr zu produzieren. Sie bauen größere Ställe, pachten mehr Grund und kaufen sich größere Maschinen, was häufig eine große Verschuldung zur Folge hat.

Handel und Verbraucher wollen Milch- und Fleischprodukte aber weiterhin zu abartig billigen Preisen. Auf der anderen Seite werden Bauern oft als Sündenböcke oder Umweltzerstörer abgestempelt. Viele von uns haben immer noch ein sehr romantisches Bild von der Landwirtschaft, bei dem der Bauer auf dem Feld steht und seine Kälber streichelt. Wie alle anderen Wirtschaftszweige auch hat aber meiner Meinung nach auch die Landwirtschaft das Recht, sich weiterzuentwickeln.

„Gassigehen“ auf dem Hof ist eher die Ausnahme…

Die Fragen sind dabei nur: Wie kann man eine Weiterentwicklung erreichen, die verträglich mit der Natur ist? Wie kann die Wertschätzung der Gesellschaft für Landwirtschaft und Lebensmittel in Zukunft wieder steigen? Was können wir als Verbraucher und Bürger machen, um unsere Bauern vor Ort zu unterstützen?

Fortsetzung folgt…