Soga, der Bauernbua

Neulich habe ich ja schon erzählt, woher der Name Soga kommt und dass mein Elternhaus ein alter Bauernhof direkt neben der WOS 1 zwischen Freyung und Waldkirchen ist. Dort durfte ich aufwachsen und mit der Zeit natürlich auch ordentlich mithelfen. Wie das so war und was meine Gedanken zur Landwirtschaft sind, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Die Kindheit auf dem Bauernhof

Wie bei fast allen Kindern, v.a. bei Jungs, übte die Landwirtschaft auch auf mich eine große Faszination aus: Man ist viel draußen, es gibt viel zu sehen, neben Kühen gibt’s auch immer sehr süße Katzen und für mich das Wichtigste: Maschinen! Vor allem die Bulldogs (manch verwirrte Leute sagen „Traktoren“) hatten es mir angetan. Als ich noch nicht so richtig sprechen konnte, sagte ich „Gagga“ dazu. Wir wissen bis heute nicht, wieso.

Als kleines Kind durfte ich natürlich immer Beifahrer bei meinem Papa sein. Diese Zeiten habe ich sehr genossen, arbeiten musste ich ja noch nicht. Heute fahre ich die Gefährte selber, fühle mich aber beim Einsteigen jedesmal wieder zurückversetzt, weil die Bulldogs innen immer noch genauso riechen wie früher. Das weckt Erinnerungen…

Im Stall war ich als Kind natürlich auch regelmäßig dabei. Meistens bin ich mit meinem eigenen Bulldog (eine Tret-Version) rumgefahren und hab dem Papa beim Melken zugesehen. Ganz toll waren aber auch andere Beschäftigungen wie im Heu rumspringen oder kleine Kätzchen streicheln. Mit meinen Cousinen, die regelmäßig zu Besuch waren, hat das Ganze noch mehr Spaß gemacht.

Die Jugend

Je älter ich wurde, desto mehr kleinere Aufgaben habe ich auch übernommen: Ausmisten, Kühe und Kälber füttern oder den Gitterrost mit dem Wasserbesen sauber machen. Letzteres hat mir nicht so viel Spaß gemacht. Aufm Bulldog bin ich immer noch mitgefahren, allerdings durfte ich nicht mehr nur Beifahrer sein: Am Feld angelangt musste ich meist absteigen und mit dem Rechen das liegengebliebene Heu oder Gras aufsammeln. Damals war nämlich noch mehr Handarbeit angesagt…

Früher war noch mehr Handarbeit (Bild aus der PNP von der „Soga-Oma“)

Die spannendste Tätigkeit damals war das Kranfahren im Stadl. Insgesamt hat mir diese Zeit aber weniger gefallen: Die Arbeiten haben mir keinen Spaß gemacht, v.a. weil ich hauptsächlich Helfertätigkeiten übernehmen musste. Und getreu dem Motto „Heing muaß ma, wenn’s schä is!“ (für Verwirrte: „Ernten muss man bei schönem Wetter!“) musste ich halt auch immer ran, wenn andere ihren Spaß im Freibad hatten.

Mit Urlaub war’s ebenfalls schwierig: Meine Eltern sind zwei bis maximal 3x im Jahr für ein Wochenende wohin gefahren. Mehr war nicht drin, weil die Kühe jeden Tag Futter brauchten und gemolken werden mussten. Ich habe zuhause dann mit der „Soga-Oma“ immer die Stellung gehalten und den Betriebshelfer im Stall unterstützt.

Recht schnell war für mich aus diesen Gründen klar, dass ich die Landwirtschaft nicht übernehmen würde, was für meinen Papa aber auch immer in Ordnung war. Ich finde: Zum Landwirt muss man geboren sein. Für mich ist es auch kein Beruf, sondern eine wahre Berufung, der man mit viel Leidenschaft nachgehen muss. Die Arbeitszeiten, die ständige Verfügbarkeit und Rufbereitschaft muss man echt mögen. Oft sind wir auch zu spät zu Veranstaltungen gekommen, weil kurz vor der Abfahrt sich eine Kuh im Stall losgerissen oder ein Kalb gekriegt hat.

Krank werden darf man eigentlich auch nicht: Mein Papa hat sich schon oft mit einer üblen Erkältung, Grippe oder unter Schmerzen aufgrund einer Verletzung in den Stall geschleppt. Natürlich gäb’s in solchen Fällen die Möglichkeit eines Betriebshelfers, so einen zu bekommen ist aber meist schwierig, wenn’s drauf ankommt.

Das Erwachsenwerden

Mit dem Älterwerden bekam ich natürlich auch mehr Verantwortung: Auf den Betriebshelfer wurde irgendwann verzichtet, weil ich im Stall alle Tätigkeiten inklusive Melken gut beherrschte. Zu Erntezeiten ersetzte ich den Rechen durch den Bulldog und heute kann ich mit nahezu allen Gerätschaften und Maschinen am Hof umgehen. Ich muss allerdings zugeben, dass ich für all das länger brauchte als andere „Bauernbuam“. Meinen Bulldog-Führerschein habe ich beispielsweise erst zeitgleich mit dem Autoführerschein gemacht. Ich hatte da einfach zu wenig Interesse und Leidenschaft.

Und heute?

Heute ist die Arbeit auf dem Hof für mich tatsächlich ein willkommener Ausgleich zu meinem Alltag und Beruf, bei dem ich fast keine Gelegenheit habe, mit den Händen etwas zu schaffen. Insofern freue ich mich im Sommer auch drauf, wenn ich ein paar Stunden auf dem Bulldog verbringen und meinem Papa beim Silieren helfen kann.

Der heutige Fuhrpark: Damit zu fahren macht mir schon Spaß…

Wenn Papa und Bärbel mal ein paar Tage wegfahren oder einen längeren Tagesausflug machen, springe ich auch gerne im Stall ein – auch wenn das für mich nach wie vor eine große Verantwortung ist, weil es schließlich um Lebewesen geht. Und es ist bislang nicht nur einmal vorgekommen, dass ausgerechnet dann ein Kalb zur Welt gekommen ist. In so einer Situation legt man dann seinen Ekel ziemlich schnell ab. Man will schließlich das Kalb heil zur Welt bringen, was aber in der Regel mit einer gewissen Anstrengung verbunden ist. Gott sei Dank ist bislang immer alles gut gegangen.

Fazit

Auch wenn ich mich früher oft geärgert habe, weil ich so viel mithelfen musste, hat mich meine Kindheit und Jugend auf dem Hof sehr geprägt und mir keineswegs geschadet: Ich habe gelernt, anzupacken, mich schmutzig zu machen und mich auch mal durchzubeißen – z.B. dann, wenn wir bei der größten Hitze beim Steineklauben auf dem Acker standen.

Ich habe außerdem großen Respekt vor meinem Papa und bewundere ihn sehr, weil er seine Berufung als Vollerwerbs-Landwirt schon sein Leben lang ausübt. Ich glaube, er freut sich aber mittlerweile auch, wenn er es in ein paar Jahren geschafft hat und in den wohlverdienten Ruhestand gehen kann.

Dann wird ein weiterer Bauernhof nicht mehr existieren. Vielleicht gibt’s irgendwann ein paar Schafe oder Ziegen, die unsere Böschungen ums Haus abgrasen. Was mit den Gebäuden passiert, ist die Frage. Das Wohnhaus bauen wir aktuell gerade um, damit meine Frau und ich hoffentlich bald einziehen können.

Mein Blick auf die Landwirtschaft

So ein Bauernbua kriegt natürlich auch die Entwicklungen in der Landwirtschaft mit und wie es um die Bauern bestellt ist. Bei vielen dieser Entwicklungen hat mein Papa nicht mitgemacht, weil ja bereits früh klar war, dass es keinen Nachfolger gibt. Dann wären nämlich schon vor längerer Zeit größere Investitionen nötig gewesen: Ein Stall mit Anbindehaltung ist einfach nicht mehr zeitgemäß und mit lediglich etwas über 20 Milchkühen ist es außerdem schwierig, eine Familie zu ernähren.

Das liegt natürlich auch daran, dass sich die Preise für die Lebensmittelerzeugung aus meiner Beobachtung heraus seit meiner Kindheit nicht geändert haben. Die meisten Bauern versuchen dann (irgendwie logischerweise), mehr zu produzieren. Sie bauen größere Ställe, pachten mehr Grund und kaufen sich größere Maschinen, was häufig eine große Verschuldung zur Folge hat.

Handel und Verbraucher wollen Milch- und Fleischprodukte aber weiterhin zu abartig billigen Preisen. Auf der anderen Seite werden Bauern oft als Sündenböcke oder Umweltzerstörer abgestempelt. Viele von uns haben immer noch ein sehr romantisches Bild von der Landwirtschaft, bei dem der Bauer auf dem Feld steht und seine Kälber streichelt. Wie alle anderen Wirtschaftszweige auch hat aber meiner Meinung nach auch die Landwirtschaft das Recht, sich weiterzuentwickeln.

„Gassigehen“ auf dem Hof ist eher die Ausnahme…

Die Fragen sind dabei nur: Wie kann man eine Weiterentwicklung erreichen, die verträglich mit der Natur ist? Wie kann die Wertschätzung der Gesellschaft für Landwirtschaft und Lebensmittel in Zukunft wieder steigen? Was können wir als Verbraucher und Bürger machen, um unsere Bauern vor Ort zu unterstützen?

Fortsetzung folgt…

Warum eigentlich Soga?

Diese Frage wird mir doch ein paar Mal gestellt und ist aber recht schnell beantwortet: Bei „Soga“ handelt es sich um den Hausnamen. Zu meinem Elternhaus gehörte nämlich vor längerer Zeit ein Sägewerk, auf Bairisch eine „Sog“. Der Betreiber des Sägewerks hieß folglich „Soga“ (ausgesprochen mit einem langen „O“, so wie in Sodbrennen) – Ende der Geschichte. Wer noch mehr Hintergründe wissen möchte, liest einfach weiter.

Und wo steht dieses Haus?

Der Bauernhof gehört zum Dorf Grillaberg (deshalb auch der Name dieser Homepage) im Stadtgebiet Freyung. Er liegt allerdings nicht im Dorf, sondern „af da Oagschicht“, also in Alleinlage, direkt an der WOS 1 gelegen. In manchen Karten taucht noch der Eigenname „Sägmühle“ auf, auch die Post wurde teilweise auf die Adresse Grillaberg/Sägmühle ausgestellt – teilweise sogar noch bis vor einigen Jahren. Eine Mühle gab es aber nie, nur das erwähnte Sägewerk.

Historische Karte, in der die „Sägmühle“ ausgewiesen wird.
Auch heute kann man die Sägmühle (zumindest wie hier als Abkürzung) noch in Karten finden – hier z.B. in der topografischen Karte von alpenvereinaktiv.com

Die Säge wurde über ein Wasserkraftwerk mit Strom versorgt. Dazu wurde das Wasser vom „Grillabach“ angestaut und über Druckleitungen zum Generator geleitet. Mit dem Strom wurde nicht nur die Sägmühle, sondern auch einige Anwesen in Grillaberg versorgt. Der gewonnene Gleichstrom war aber irgendwann nicht mehr zeitgemäß, so dass man sich leider entschied, sowohl Säge- als auch Wasserkarftwerk rückzubauen.

Bis Ende der 60er Jahre existierte ein Wasserkraftwerk in der „Sägmühle“

Zeitlicher Abriss

1925: Mein Uropa kauft das Haus, welches laut Türstock bereits 1872 gebaut wurde.

Nach dem 2. Weltkrieg zieht mein Opa zu meiner Oma auf den Hof.

Anfang der 50er Jahre entscheidet sich mein Opa, das Sägewerk rückzubauen.

Ende der 60er Jahre wird auch das E-Werk zurückgebaut.

Die „Sägmühle“ heute – ohne Sägewerk, ohne Wasserkraftwerk.

Fazit

Auch, wenn das Sägewerk schon seit nahezu 70 Jahren nicht mehr existiert, ist der Hausname Soga geblieben und wurde auf die nachfolgenden Generationen übertragen – so auch auf mich.

In der Schulzeit wurde ich fast nur mit diesem Namen angesprochen, zum Teil sogar von Lehrern. Während des Studiums in Regensburg und der Zeit in Waldmünchen war der Spitzname dann nicht mehr präsent. Auch seit der „Rückkehr“ in die Heimat 2016 werde ich von den meisten mit dem Namen angesprochen, der auch in meinem Ausweis steht.

Aber: Traditionen sollten nicht in Vergessenheit geraten. Und nachdem 2020 nach erfolgreichem Umbau ein Einzug ins Elternhaus bevorsteht, ist es auch höchste Zeit, den Namen wiederzubeleben.

Ein Fahrer der Freyfahrt äußerte neulich: „Wenn ma den Soga ned kennt, is des a Bildungslücke.“ Das soll auch in Zukunft so bleiben. 😉

In unseren Breitengraden gibt’s ja noch sehr viele Hausnamen. Habt ihr auch einen? Dann schreibt’s gern in die Kommentare…